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Alkohol und Schwangerschaft - das fetale Alkoholsyndrom

Im Studium und in unserer Assistenzarztausbildung lernen wir als Kinderärzte eine Menge verschiedener Erkrankungen kennen. Natürlich gibt es dabei auch immer Erkrankungen, die wir nur aus dem Buch kennenlernen. Das sind in der Regel seltene Erkrankungen oder manchmal Erkrankungen, die man ausschließlich in speziellen Zentren behandeln kann wie zum Beispiel verschiedene onkologische Erkrankungen oder Erkrankungen aus dem Stoffwechselbereich. So war ich bis vor Kurzem überzeugt, dass ich auf jeden Fall so ziemlich alle häufigen Erkrankungen gut erkenne und ihnen in der Klinik begegnet bin.

(denn das macht ja auch den guten Kinderarzt aus- viel gelernt und gesehen zu haben und dann zu erkennen, wenn einem das Krankheitsbild begegnet).

Und nun vor einigen Wochen, als ich mit meinem Kindermedizin Blog online ging, wurde ich eines Besseren belehrt. Bei Instagram bin ich ziemlich schnell auf die Seite happy Baby no Alcohol ( http://www.happy-baby-no-alcohol.de) gestoßen. Natürlich war mir bewusst, was Alkohol in der Schwangerschaft bewirken kann. Als ich aber auf die Seite ging, blieb ich hängen. Die Ausmaße und die Häufigkeit in Deutschland sind mir nicht klar gewesen. Wie kommt es, dass ich dem fetalen Alkoholsyndrom als Diagnose bis jetzt kaum begegnet bin ? Warum wurde die Diagnose nur bei zwei Kindern in meiner Karriere als Verdacht in den Raum gestellt? Ich habe mich erschrocken, als mir klar wurde, dass die Diagnose allein statistisch bei viel mehr Kindern Thema sein müsste (abgesehen davon, dass natürlich auch die Betroffenen im Erwachsenenalter eine Diagnose bräuchten).



Ich nahm Kontakt mit der Initiatorin der Kampagne, der wunderbaren Dagmar Elsen auf und so langsam wurde mir das Ausmaß bewusst. Ich beschloss die Kampagne als Botschafterin zu unterstützen und möchte dir nun in diesem Artikel das fetale Alkoholsyndrom näher bringen und so hoffentlich mehr Bewusstsein für dieses wichtige Thema schaffen.


Was macht der Alkohol mit dem Baby in deinem Bauch ?

Dazu musst du als allererstes einmal wissen, dass Alkohol ein Nervengift ist und deswegen schlecht für die Zellen ist, besonders für Zellen, die sich teilen.

Wenn du jetzt in der Schwangerschaft Alkohol zu dir nimmst, dann wandert der leider ungebremst über die Plazenta zu deinem Baby, sodass dein Baby den gleichen Alkoholspiegel wie du aufweist. Anders als du kann das Baby den Alkohol aber sehr schlecht abbauen, weil die Leber noch unreif ist.

Prinzipiell können alle Zellen im Körper des Babies vom Alkohol Schaden nehmen, besonders gefährdet sind aber die Gehirnzellen. Die Gehirnentwicklung deines Babies dauert die ganze Schwangerschaft.

Das heisst also, dass Alkohol IMMER gefährlich für dein Baby sein kann, auch am Ende der Schwangerschaft.

Nur in den ersten beiden Wochen nach Befruchtung verfährt der Körper ein bisschen nach dem Ganz-oder-gar-nicht-Prinzip. Wird hier die Frucht beschädigt, geht diese ab. Deswegen kann ich die Frauen, die meistens noch gar nicht wissen, ob sie schwanger sind, beruhigen. Ab dem Ausbleiben der Regel solltest du allerdings strikt die Finger vom Alkohol lassen.


Wie häufig kommt es zum fetalen Alkoholsyndrom?

Hier war ich nun wirklich überrascht, um nicht zu sagen entsetzt!

In einer großen Studie vor zehn Jahren gaben mehr als die Hälfte der schwangeren Frauen an, GELEGENTLICH Alkohol in der Schwangerschaft zu sich zu nehmen. Nur eine von fünf Frauen verzichtet komplett auf Alkohol in der Schwangerschaft. Ich bin mir sicher: das liegt nicht daran, dass die Frauen die Schädigung in Kauf nehmen wollen, sondern dass ihnen nicht bewusst genug ist (und von den Ärzten gemacht wird), was jeder Tropfen Alkohol auslösen kann. Jedes Jahr kommen in Deutschland ungefähr 10 000 Neugeborene mit Alkohol bedingten Schäden auf die Welt, die Dunkelziffer ist mindestens genauso hoch. Damit ist Alkohol in der Schwangerschaft eine der häufigsten Gründe für geistige Behinderung bei Kindern.


Wie äußert sich das fetale Alkoholsyndrom bei den Kindern?

Die Schädigungen sind äußerst vielseitig und können sich sowohl auf körperlicher, als auch neurologisch-kognitiver Ebene zeigen. Später werden die Kinder häufig durch verschiedene Verhaltensschwierigkeiten auffällig.

Körperlich können prinzipiell verschiedene Organsysteme Schaden erlitten haben. So kommt es zum Beispiel zu Herzfehlern, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten und Minderwuchs. Das Gesicht kann verschiedene Auffälligkeiten zeigen. Typisch dafür sind zum Beispiel eine schmale Oberlippe, ein verstrichenes Philtrum, kleine Zähne oder tiefsitzende Ohren.

Es kann zu Krampfanfällen kommen und zur allgemeinen Entwicklungsverzögerung. Viele Kinder fallen dadurch auf, dass sie emotional instabil sind, oft Probleme bei der Aufmerksamkeit haben. Schulisch fallen die Kinder durch Lernschwierigkeiten auf, sozial entstehen oft Schwierigkeiten aufgrund von Aggressivität oder Temperamentsausbrüchen. Ihr sehr also, dass so ungefähr jeder Lebensbereich von der Schädigung betroffen sein kann. Ein Großteil der Schädigungen sind nicht zu "heilen", die Kinder sollen aber natürlich entsprechend ihrer Probleme vielseitig unterstützt werden.


Was kann ich tun damit mein Kind nicht unter dem Syndrom leiden wird?

Ganz einfach: 100prozentiger Verzicht auf Alkohol in der Schwangerschaft bedeutet auch eine 100prozentige Prävention. Solltest du doch Alkohol in der Schwangerschaft getrunken habe, so zögere aber bitte nicht, dich an deinen Kinderarzt zu wenden.


Mehr erfahren zu dem Thema kannst du zum Beispiel auf

www.happy-baby-no-alcohol.de


Es gibt auch sehr berührende Filme zu dem Thema:

Jean Boué: Alkoholkinder im WDR-Fernsehen, in der Reihe „Menschen Hautnah“ vom 6. September 2018

Djamila Benkhelouf : Alkohol in der Schwangerschaft: Die schlimmen Folgen, im NDR-Fernsehen in der Reihe Panorama 3 vom 14. Januar 2019,


Aufklärung, Beratung und Hilfe bietet als überregionale Anlaufstelle:

FASD Deutschland e.V. Vorsitzende Gisela Michalowski

Tel. 0591/ 7106700, info@fasd-Deutschland.de www.fasd-deutschland.de

Auf der Website von FASD-Deutschland findet sich eine Liste regionaler Ansprechpartner/Selbsthilfegruppen.


In München gibt es folgende Anlaufstelle:

Dr. von Haunersches Kinderspital, Pädiatrische Neurologie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, Lindwurmstr. 4, 80337 München, Tel. 089- 5160-2811, E-Mail: info@klinikum.uni-München.de




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