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Der Nachtschreck / "Pavor Nocturnus"

Neulich hatte ich ein längeres Gespräch mit einem verzweifelten Elternpaar. Ihr 6-jähriger Sohn ist einer von vielen Kindern, die von dem Schlafphänomen Nachtschreck, auch genannt Pavor nocturnus betroffen sind. Für das besagte Elternpaar bedeutet das mittlerweile jeden Abend mit einem mulmigen Gefühl ins Bett zu gehen. Denn sie haben Angst, wieder von dem ohrenbetäubenden Schreien aufgeweckt zu werden und hilflos daneben zu stehen. Ihre größte Angst dabei ist, dass ihr Sohn dabei leide, dass es ein Ausdruck von irgendeiner Form der Traumatisierung sein könnte und dass er sich im Schlaf nicht erholen kann. Wir haben also lange über den Nachtschreck gesprochen und ich habe die Hoffnung, ihnen ein paar der Ängste nehmen zu können. Und habe mir gleich vorgenommen, euch ein bisschen darüber zu erzählen, weil vielleicht einige in einer ähnlichen Situation sind.




Der Nachtschreck, auch wenn er so wirken mag, ist kein Albtraum, bei dem wir das Kind wecken und beruhigen können. Albträume kommen typischerweise spät in der Nacht vor, die Kinder können sich meist an einige Details erinnern, und wir Eltern können unsere Kinder gut bei Albträumen unterstützen. Können sie trösten, uns andere Enden des Traumes ausdenken und können vor dem Schlafengehen die Monster verjagen.


Beim Nachtschreck wachen die Kinder nicht auf, auch wenn die Augen weit geöffnet sind.

Für die Eltern am schlimmsten ist die Tatsache, dass sich die Kinder während des Nachtschrecks von den Eltern auch nicht beruhigen lassen können, eine Kontaktaufnahme mit dem Kind ist nicht möglich, weil das Kind ja schläft und in einem anderen Bewusstseinszustand ist. Während des Nachtschrecks wirkt das Kind typischerweise sehr verängstigt, reißt die Augen auf, hat einen schnellen Herzschlag, weint oder schreit. Fürchterlich, da tatenlos daneben zu stehen. Der Nachtschreck kommt typischerweise in der ersten Nachthälfte vor, die Kinder können sich anders als beim Albtraum an nichts erinnern.


Ich rate also dem verzweifelten Elternpaar, während des Nachtschrecks ihren Sohn zu begleiten, um zu sehen, ob er sich während der Episode verletzen könnte, aber ihn nicht zu berühren und vor allem nicht zu versuchen, ihn zu wecken.

Kinder, die während eines Nachtschrecks geweckt werden, sind danach oft verwirrt, desorientiert und ängstlich.

Ich weiß, dass dieser Ratschlag auf Studien beruht, die immer wieder bestätigt haben, dass die Kinder sich an nichts erinnern, weiß aber gleichzeitig, dass ich den Eltern damit einen Ratschlag gebe, den wir Eltern am schlimmsten finden: nichts zu tun und keinen Einfluss auf das Geschehen zu haben.

Ich erkläre den Eltern, dass der Nachtschreck im Übergang vom tiefen Non-REM-Schlaf zum leichteren REM-Schlaf auftritt und dass er häufiger vorkommt, wenn die Kinder übermüdet, krank, gestresst, Medienkonsum vor dem Schlafengehen ausgesetzt sind oder in ungewohnter Umgebung sind. Der Nachtschreck ist aber nicht mit psychischen Traumatisierungen oder Erkrankungen assoziiert. Damit, so hoffe ich, nehme ich den Eltern eine der größten Sorgen. Die Kinder wachsen aus dieser Phase raus, es gibt tatsächlich nur sehr wenig Jugendliche, die immer noch von dem Phänomen betroffen sind.

Sollte der Nachtschreck ungewöhnlich oft vorkommen, so kann man versuchen, das Kind vor der typischen „Nachtschreck-Uhrzeit“ zu wecken. Diese Methode führt in manchen Fällen zu einem Rückgang des Nachtschrecks, bringt die Familie meiner Meinung nach gegebenenfalls aber auch in eine unnatürliche Habacht-Stellung und nimmt deswegen nicht immer die Belastung aus der Situation. Es kann hilfreich sein, besonders gut auf die Schlafhygiene des betroffenen Kindes zu achten und Übermüdung und Medienkonsum insbesondere vor dem Schlafengehen möglichst zu vermeiden.

Ein Vorschlag, der nicht für jede Familienkonstellation eine Option ist, aber helfen kann, ist das Familienbett. Als betroffene Familie ist es auch jeden Fall der Versuch wert, diese einfache Maßnahme auszuprobieren.

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