In Deutschland lebten im Jahr 2021 ungefähr 8 Millionen Vegetarier, das entspricht ca. 10 % der Gesamtbevölkerung. Ungefähr weitere 2% ernähren sich vegan. Das sind jeweils mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.
Auch Kinder- und Jugendliche ernähren sich immer häufiger vegan und vegetarisch.
In einer von 2003 – 2006 in Deutschland durchgeführten Basiserhebung bei 14 bis 17-jährigen Jugendlichen gaben 2% der Jungen und 6% der Mädchen an, sich vegetarisch zu ernähren.
Doch auch bereits noch früher, im Kleinkindalter, ist es immer häufiger der Wunsch der Eltern, ihre Kinder pflanzenbasierter und weniger fleischlastig zu ernähren.
Der Trend zur pflanzlich orientierten Ernährungsweise hält also an. Als Gründe hierfür werden unter anderem das Tierwohl, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Umweltschutz und gesundheitliche Aspekte genannt.
Während die meisten Mediziner mittlerweile relativ überzeugt davon sind, dass der Verzicht auf tierische Nahrungsmittel für Erwachsene viele Vorteile mit sich bringt, gibt es im Hinblick auf vegan und vegetarisch ernährte Babys, Kinder und Jugendliche noch viele Zweifel.
Welche Ernährungsformen unterscheiden wir?
Omnivor/Mischkost: Verzehr von Fleisch und Fisch
Vegetarisch: Verzicht auf Produkte vom toten Tier und Fisch
Vegan: Verzicht auf jegliche tierische Produkte (Fleisch, Fisch, Milch, Eier, Käse)
Es gibt weitere Unterscheidungen, die hier erstmal keine Rolle spielen.
Welche Empfehlungen gelten in Deutschland? Und im Ausland?
Die deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bewertet eine vegetarische Ernährungsweise als ‚empfehlenswerte Dauerkost‘, positioniert sich aktuell jedoch gegen eine vegane Ernährung und weist auf die Notwendigkeit der Supplementierung bestimmter Nährstoffe hin: „Für Schwangere, Stillende, Säuglinge, Kinder- & Jugendliche wird eine vegane Ernährung von der DGE nicht empfohlen. Wer sich dennoch vegan ernähren möchte, sollte ... ggf. angereicherte Lebensmittel und Nährstoffpräparate verwenden.“
In den USA und Großbritannien ist die Haltung der veganen Ernährung gegenüber zumindest etwas offener:
Die ‚Academy of Nutrition and Dietetics‘ in den USA postulierte im Jahr 2016, dass eine angemessen geplante vegetarische und vegane Ernährungsweise gesund und ausgewogen sei und gesundheitliche Vorteile bezüglich der Prävention und Therapie bestimmter Krankheiten biete. Eine solche Ernährungsweise sei angebracht in allen Lebensphasen inklusive Schwangerschaft, Stillzeit und Wachstumsphase. Auch die ‚British Nutrition Foundation‘ äußerte sich 2019 in ähnlicher Weise und erklärt, eine gut geplante vegane Ernährungsweise sei selbst für Babys möglich und könne alle notwendigen Nährstoffe bieten, die für Entwicklung und Wachstum notwendig sind.
Zusammengefasst sind sich die Fachgesellschaften einig, dass eine vegetarische Ernährung fast uneingeschränkt empfohlen werden kann und im Vergleich zur Ernährung mit Fleisch- und Fischprodukten sogar eher Vorteile bietet. Bezüglich der veganen Ernährung sind die Empfehlungen insbesondere in Deutschland deutlich zurückhaltender. Betont wird, eine vegane Ernährung sei möglich und kann ohne gesundheitliche Nachteile erfolgen, sofern eine informierte Nahrungszusammenstellung stattfindet, bestenfalls nach Beratung durch eine Fachperson, und auf die Substitution von Vitamin B12 und ggf. weiterer kritischer Nährstoffe geachtet wird.
Stand der Wissenschaft: VeChi- und die VeChi-Youth-Studie
Die Studienlage zum Thema ist mau und die Wissenslücken groß. Die momentan aktuellsten Daten aus Deutschland liefern 2 Querschnittsstudien, die zwischen 2017 und 2019 durchgeführt wurden: die VeChi- und die VeChi-Youth-Studie. Untersucht wurden die Ernährungsweisen von jeweils ca 400 Kindern von 1-3 bzw. 6-19 Jahren. Unter den Studienteilnehmern gab es omnivore, vegetarische und vegane Kinder.
Was wurde untersucht?
Anhand eines detaillierten Ernährungsprotokolls und Erfassung bestimmter Körperparameter wie Größe und Gewicht wurde die Ernährung der TeilnehmerINNEN auf Makro- und Mikronährstoffe untersucht.
Kleiner Exkurs:
Makronährstoffe sind Kohlenhydrate (inkl. Ballaststoffe), Fette und Proteine (Eiweiße). Sie liefern Energie und wir können sie sehen. Kartoffeln mit gebratenem Hühnchen wäre zum Beispiel ein Gericht aus diesen drei Makronährstoffen.
Mikronährstoffe können wir mit dem bloßen Auge nicht sehen. Hierzu gehören Spurenelemente wie Zink und Selen, aber auch Vitamine. Die meisten Mikronährstoffe bildet der Körper nicht selbst, sie müssen mit der Nahrung zugeführt werden.
Ergebnisse der Studien:
Die gute Nachricht: grob gesagt gab es keine signifikanten Unterschiede in der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in den verschiedenen Gruppen. Für einige kritische Nährstoffe wurde allerdings eine Unterversorgung festgestellt und zwar in allen Gruppen.
Was sind kritische Nährstoffe?
Unter kritischen Nährstoffen verstehen Fachleute diejenigen Nährstoffe, die häufig in kleineren Mengen zugeführt werden als es den Empfehlungen entspricht. Hierunter fallen in Bezug auf Kinderernährung die folgenden Nährstoffe.
- Vitamin B12, Vitamin A, Vitamin B2 (=Riboflavin)
- Eisen, Calcium, Jod
- Selen
- Langkettige Omega-3-Fettsäuren
In allen 3 Gruppen wurden kritische Werte für Vitamin D, Vitamin B2 und Jod festgestellt. Außerdem war die Calcium Zufuhr verhältnismäßig niedrig, vor allem in der Gruppe der VeganerINNEN. Die Versorgung mit Vitamin B12 dahingegen war insbesondere bei den VeganerINNEN im Durchschnitt gut, was vermuten lässt, dass die veganen ProbandINNEN bereits zuverlässig Vitamin B12 supplementieren. Festgestellt wurde weiterhin, dass vor allem in der Gruppe der vegan ernährten Kinder und Jugendlicher die Nahrungsmittelauswahl sehr abwechslungsreich und dementsprechend gesundheitsförderlich war.
Diese Daten gelten explizit für Deutschland, da in anderen Ländern Nahrungsmittel teilweise bereits mit bestimmten Stoffen angereichert sind, beispielsweise enthält Milch in den USA fast immer Vitamin D und Calcium, Tierfutter wird auch in Europa häufig mit Selen versetzt, weshalb tierische Produkte wiederum Selen enthalten (können).
Fazit:
Die Studienergebnisse der beiden oben genannten Studien sowie viele weitere lassen vermuten, dass sowohl die vegetarische als auch die vegane Ernährungsweise für Kinder sicher ist. Fest steht, dass der Bedarf an Vitamin B12 in der rein veganen Ernährung nicht über die Nahrung gedeckt werden kann.
Vitamin B12 wird von Mikroorganismen gebildet und gelangt über die Nahrungskette in den tierischen und menschlichen Organismus. Bestimmte pflanzliche Produkte können durch Gärung Vitamin B12 bilden, jedoch in so geringen Mengen, dass es als Nahrungsquelle für den Menschen nicht ausreichend wäre. Deshalb muss in der veganen Ernährung immer eine Supplementation mit Vitamin B12 erfolgen. Alle anderen essenziellen Nährstoffe können rein theoretisch über die Nahrung zugeführt werden. Praktisch kann die zusätzliche Gabe bestimmter kritischer Nährstoffe wie Jod oder Vitamin D sinnvoll bzw. notwendig werden. Nicht zuletzt deshalb ist es dringend empfohlen, eine ärztliche Konsultation zu beanspruchen, wenn der Wunsch besteht, das eigene Kind vegan zu ernähren.
Merke:
Vegane und vegetarische Ernährung bei Kindern ist durchaus möglich, gesund und birgt, wenn richtig ausgeführt, keine Nachteile im Vergleich zur Mischkost. Unbedingt sollte eine professionelle Ernährungsberatung erfolgen. Die konkreten Empfehlungen zur Nahrungsergänzung findet ihr in einem gesonderten Blogartikel.
Comments