Verstopfung ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein weit verbreitetes Symptom, das viele Ursachen haben kann. Wird in der medizinischen Diagnostik keine erkennbare körperliche Ursache gefunden, spricht man von funktioneller Obstipation. Sie kommt in allen Altersklassen vor und wird häufig übersehen, von KinderärztInnen, Eltern und ErzieherInnen. Dabei ist es hilfreich, eine Verstopfung früh zu erkennen, um sie entsprechend zu behandeln und die betroffenen Kinder von ihrem großen Leidensdruck zu befreien.
Wie erkenne ich eine Verstopfung bei meinem Kind?
Wie kann eine Verstopfung behandelt werden? Müssen Medikamente wirklich sein und wie lange dauert die Therapie?
Dieser Artikel beantwortet die häufigsten Fragen, die rund um das Thema Verstopfung aufkommen, und soll Eltern eine grobe Orientierung geben, was nach der ärztlichen Konsultation auf sie und die betroffenen Kinder zukommt.
Studiendaten zeigen, dass ca 3% der PatientInnen in der kinderärztlichen Praxis aufgrund von Obstipationsbeschwerden vorgestellt werden. Die Problematik betrifft 7-14% aller Kinder (je nach Diagnosekriterien und Studienpopulation), ist also sehr häufig. Die meisten Betroffenen werden im Laufe des 3. Lebensjahres auffällig. Tendenziell sind mehr Jungen als Mädchen von Verstopfung betroffen.
Leider gibt es Anzeichen dafür, dass die Prävalenz, also die Häufigkeit der Verstopfung, bei Kindern in den letzten Jahren zugenommen hat, am ehesten aufgrund der insgesamt ballaststoffarmen und kalorienreichen Ernährung.
Obstipation wird definiert als Stuhlretention infolge unvollständiger Stuhlentleerung. Vereinfacht könnte man sagen, Verstopfung ist eine zu seltene bzw. unvollständige Stuhlentleerung. Ab wann von zu selten die Rede ist, hängt vom Alter des Kindes ab. Bei Kleinkindern zwischen 1 und 4 Jahren müssen bestimmte Diagnosekriterien für mindestens einen Monat bestehen, um von einer chronischen Obstipation zu sprechen. Hierzu gehören weniger als 3 Stuhlentleerungen pro Woche oder schmerzhafter und harter Stuhlgang.
Symptome:
Häufig halten die betroffenen Kinder den Stuhlgang eher unterbewusst zurück. Hieraus ergeben sich die Symptome, die auch Eltern beobachten.
- Wiederkehrende Bauchschmerzen
- Schmerzen beim Stuhlgang
- Harter Stuhlgang
- Blähungen
- Appetitlosigkeit
- Im weiteren Verlauf Gedeihstörung und Abgeschlagenheit
Übrigens kann auch häufiger, fast durchfallartiger Stuhlgang Symptom einer Verstopfung sein. Das passiert dann, wenn große Anteile des Stuhls im Darm zurückbleiben und immer nur anteilig, wässriger Stuhl abgesetzt wird.
Die chronische Obstipation hat nur in 5% der Fälle eine organische (angeborene oder erworbene) Ursache. Bei den restlichen 95% liegt eine funktionelle Obstipation vor, also eine Verstopfung für die es keine körperliche Ursache gefunden wird. Deshalb ist auch in den wenigsten Fällen eine invasive Diagnostik notwendig. Meist ist es ausreichend, die Eltern detailliert zu befragen und evtl. ergänzend eine Ultraschalluntersuchung durchzuführen.
Ursachen:
Verschiedene Faktoren können die Entstehung einer Obstipation begünstigen: Stress, ballaststoffarme Ernährung, Essstörungen, Umzug, Nahrungsumstellung kommen unter anderem als Trigger in Frage. Es ist hilfreich und sinnvoll, diese zu identifizieren, da hier ein Ansatzpunkt in der Behandlung liegt.
Gleichzeitig ist es wichtig, nicht allzu lange zu warten, bis das Problem angegangen wird, weil sonst schnell ein Teufelskreis entsteht. Klappt es einmal nicht richtig mit dem Stuhlgang, leiden Kinder rasch unter Schmerzen, der Stuhl wird hart, die Haut am Popo wund und umso mehr wird der Stuhlgang zurück gehalten, was wiederum zu Schmerzen führt usw.
Darüber hinaus entstehen bei den Eltern und/oder Kindern Scham- und Schuldgefühle, wenn es mit dem Stuhlgang nicht so richtig klappt. Deshalb ist es umso wichtiger, sich bewusst zu machen, dass Obstipation ein Symptom ist, die Ursachen vielfältig sein können, es aber gute Behandlungsoptionen gibt. Diese sind vor allem dann sehr erfolgsversprechend, wenn ÄrztInnen und PatientInnen (inklusive der Eltern) gut zusammen arbeiten und ein gutes Vertrauensverhältnis besteht. Es ist weiterhin wichtig, dem Kind Mut zu machen und geduldig zu bleiben. Schuldzuweisungen sind völlig kontraproduktiv.
Therapie:
Die Therapie beruht auf 4 Säulen:
- Bewegung
- Ernährungsverhalten analysieren und anpassen
- Medikamente
- Toilettentraining
Um den Teufelskreis rasch zu durchbrechen, ist es hilfreich und wichtig, zügig eine Therapie einzuleiten. Häufig ist eine Ernährungsumstellung und die Einführung von regelmäßiger Bewegung nicht ausreichend oder nicht zielführend. Denn es gibt durchaus Kinder, die an Verstopfung leiden, obwohl sie sich ausgewogen ernähren und körperliche Aktivität Teil des Alltags ist. (Eine ‚falsche‘ Ernährung oder zu wenig Flüssigkeit ist also selten der alleinige Auslöser einer Verstopfung und wird als Ursache eher überbewertet, trotzdem gehört es dazu, diese Punkte zu beachten und zu besprechen.) Tritt durch Verhaltensänderung keine Besserung ein, werden sogenannte Laxantien verschrieben. Das sind Medikamente, die den Stuhlgang weich machen und/oder die Darmperistaltik anregen und so zu einer schnelleren und einfacheren Darmentleerung führen. Mittel der Wahl ist hier Macrogol (Handelsnamen in der Apotheke z.B. Movicol oder Laxbene). Macrogol gibt es zum Beispiel als Pulver, das mit einer geringen Menge Wasser gemischt und dann getrunken wird oder als Lösung, die mit einer Spritze dosiert (wie beim Fiebersaft) direkt in den Mund gegeben werden kann.
Meist verschreibt der/die KinderärztIn eine Initialdosis, die zu einer raschen Stuhlentleerung führt und im Anschluss daran eine Erhaltungsdosis, damit der Stuhl über eine längere Zeit weich bleibt und die Defäkation keine Schmerzen mehr bereitet.
Laxantien haben so gut wie keine Nebenwirkungen, vor allem hat die Einnahme keine Langzeitfolgen. Man kann durchaus über Jahre Laxantien einnehmen, ohne einen Schaden davon zu tragen bzw. ohne Gewöhnungseffekte für den Darm.
Neben der Einnahme von Laxantien ist ein elementarer Bestandteil der Therapie das Toilettentraining. Das bedeutet, der Toilettengang muss geübt werden. Praktisch kann man zum Beispiel 2 feste Zeitpunkte am Tag mit dem Kind vereinbaren, zu denen das Kind die Toilette aufsucht und dann für ca 10 Minuten versucht, Stuhl zu entleeren. Für das Kind soll diese Zeit so angenehm wie möglich gestaltet werden. Es darf dabei Hörspiel hören, eine Geschichte lesen oder ggf. auch mal ein kurzes Video am Handy schauen. Theoretisch ist alles erlaubt, was den Kindern eine Motivation verschafft. Wichtig ist natürlich, dass der Fokus beim Kacka machen bleibt und das Kind nicht allzu sehr abgelenkt wird. Manche Eltern machen gute Erfahrungen, indem sie mit Stickern zur Belohnung oder anderen ‚Punktesystemen‘ arbeiten. Auch die Körperhaltung spielt eine Rolle, idealerweise wird ein Toilettenhocker verwendet, damit die Beine in leicht angewinkelter Position sind.
Wie lange dauert die Behandlung?
Tatsächlich kann die erfolgreiche Behandlung einer Obstipation Monate oder sogar Jahre dauern. ExpertInnen beschreiben, dass die Therapie ungefähr genau so lange dauert, wie die Symptomatik bestanden hat, bevor sie angegangen wurde. Das mag erst mal schockierend klingen, aber eine realistische Einschätzung der Therapiedauer ist wichtig, denn viele Behandlungen werden nur halbherzig durchgeführt oder zu früh abgebrochen, sodass der Teufelskreis von vorne beginnt.
Vielen Kindern hilft es, zu verstehen, wie Stuhlgang entsteht und was da eigentlich im Körper passiert, es gibt gute Aufklärungsmaterialen für die betroffenen Kinder und ihre Eltern, z.B.
https://www.youtube.com/watch?v=_4IQA85B4BE oder das Buch: Die Kackwurstfabrik von Marja Baseler und Annermarie van den Brink
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