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Vitamine für mein Neugeborenes – Teil I Vitamin K

Die ersten Tage auf der Wöchnerinnenstation sind mit die aufregendsten Tage im Leben der frisch gebackenen Eltern. Völlig beeindruckt von der Geburt und dem neuen Familienmitglied befinden sich die Eltern wie in einer anderen Welt, einem Ausnahmezustand.

In diesen Zustand komm ich nun als Ärztin geplatzt und überfordere die Eltern mit jeder Information über die nächsten Tage ihres Babys und was ich Ihnen empfehle. Ein Thema, bei dem ich oft in große Augen schaue, ist das Thema Vitamine bei Neugeborenen.

Wir Ärzte empfehlen nach der Geburt zwei Vitamingaben für das Baby: dreimalig die Gabe von Vitamin K und dauerhaft für das erste Lebensjahr die Gabe von Vitamin D.



Eine Vitamin K reiche Ernährung der stillende Mutter ist von Vorteil


Doch was hat es damit auf sich und gibt es auch Argumente, die dagegensprechen?

In Deutschland erhalten unsere Neugeborenen zur U1, U2 und U3 jeweils 2 mg Vitamin K. Das Vitamin K wird in Form von einer Flüssigkeit dem Baby in den Mund gespritzt. Es schmeckt etwas bitter und das Baby wird das Gesicht verziehen. Kleiner Tipp am Rande: Du kannst deinem Baby dieses Geschmackserlebnis versüßen, indem du vor und nach der Vitamin Gabe anlegst.

Vitamin K ist mit für die Blutgerinnung zuständig. Es hilft den sogenannten Gerinnungsfaktoren aktiv zu werden und dann im Notfall dafür zu sorgen, dass eine Blutung stoppt.


Unterschied Vitamin K Muttermilch und Flaschennahrung

Menschliche Muttermilch ist wunderbar für das Kind, weist leider aber einen nur sehr geringen Vitamin K Gehalt auf. Flaschennahrung wird mit Vitamin K angereichert und senkt so das Risiko für Vitamin K Mangel beim Neugeborenen. Zudem unterscheidet sich die Darmbakterienbesiedlung zwischen gestillten und Flaschen ernährten Kindern: Gestillte Kinder haben eine Darmflora, die größtenteils aus Bifidusbakterien besteht. Diese stellen weniger Vitamin K her als dies Kolibakterien tun, die in der Darmflora bei mit Flaschenmilch ernährten Kindern vorherrschen.

Der tägliche Bedarf an Vitamin K beträgt bei einem gesunden Säugling ca. 1μg/kg.

Zum Zeitpunkt der Geburt ist aber häufig nicht klar, wie ein Neugeborenes über die nächsten Wochen ernährt wird.

Wenn ein Baby aber rein mit der Flasche ernährt wird, würde eine einmalige Gabe von Vitamin K reichen. Es ist mir unklar, warum in Deutschland zwischen den verschiedenen Ernährungsformen und der Vitamin K Prophylaxe nicht unterschieden wird.


Warum ist ein Vitamin K Mangel ein Problem?

Leidet ein Neugeborenes unter Vitamin K Mangel, so kann das zu einer Blutung führen (die Häufigkeit einer solchen Blutung liegt bei 7:100 000 Neugeborene).

Wir unterscheiden verschiedene Formen der Blutungen bei Neugeborenen:

Eine Form der Blutung tritt am ersten Lebenstag auf und ist bedingt durch mütterliche Medikamenteneinnahme. Hier hilft die Vitamin K Gabe nichts. Die frühe Blutung tritt zwischen dem zweiten und dem siebten Lebenstag auf. Sie ist bedingt durch Vitamin K-Mangel, häufig in Zusammenhang mit einem späten Stillbeginn. Die späte Blutung manifestiert sich zwischen der dritten und der zwölften Lebenswoche. Sie tritt vorwiegend bei ausschließlich gestillten Babies auf, die keine Prophylaxe erhalten haben.

Die Blutungen können zu lebenslangen Behinderungen und zum Tod führen. Deswegen ist dieses Thema so wichtig!


In welcher Form wird Vitamin K in Deutschland verabreicht?

Das Konakion MM® besteht aus einer synthetischen Form des Phyllochinon (Vitamin K1), welches in Gallensäure und Lecithin gelöst ist. Wir geben das Vitamin K oral.

Früher wurde das Vitamin K in den Muskel gespritzt. Es gab eine Studie, die einen Zusammenhang zwischen dieser Form der Verabreichung und Leukämie vermuten ließ, deswegen wurde auf die orale Gabe umgestellt. Der Zusammenhang konnte aber in fünf anderen Studien nicht bestätigt werden. Insgesamt ist die intramuskuläre Gabe von Vitamin K wohl die Effektivste um Blutungen zu verhindern, wird aber bei gesunden Neugeborenen in Deutschlang momentan nicht praktiziert.


Welche Schemata gibt es in anderen Ländern und was sind die Vor- und Nachteile? Die Vitamin K-Prophylaxe in Deutschland wird als dreimalige Vitamin K-Gabe verabreicht. In Dänemark und Frankreich wird Vitamin K wöchentlich verabreicht.

Was ist die holländische Methode?

Die Niederlande dagegen sind das einzige Land, welches bis 2011 erst die einmalige Gabe von 1 mg Vitamin K und dann anschließend eine tägliche Gabe von niedrig dosiertem Vitamin K über drei Monate empfohlen hat. Aktuelle Studien weisen auf eine eher höhere Blutungsrate mit diesem Schema hin, frühere Studien haben eine geringere Blutungsrate festgestellt. Aktuell hat man deswegen die tägliche Vitamin K Gabe auf 150 ug/täglich in den Niederlanden erhöht. Hier gibt es aktuell noch keine Studien, die dieses Vorgehen gut evaluieren. Es heißt abzuwarten. Dieses Schema bedeutet natürlich auch, dass man als Elternteil gefragt ist, Vitamin K täglich selber zu geben.

Leider gibt es keine aussagekräftige Studie, die die verschiedenen Länderschemata gut miteinander vergleichen kann. Das liegt an den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, dem unterschiedlichen Stillverhalten und daran, dass zum Teil das Vitamin K von Eltern oder medizinischem Personal verabreicht wird und es deswegen unklar ist, ob es mit gleicher Konsequenz gegeben wird.

Wir wissen, dass das deutsche Schema das Blutungsrisiko deutlich reduziert.

Es gibt Ansichten, die es für besser halten, dem Kind täglich eine kleine Menge an Vitamin K wie in den Niederlanden zukommen zu lassen (oft empfehlen so wie früher in den Niederlande 25-50 ug/täglich über 12 Wochen). Solltest du dich als Elternteil dafür entscheiden, empfehle ich dir aufgrund der aktuellen Studienlage aber trotzdem unbedingt die Gabe von Vitamin K nach der Geburt und zur U2.

Disclaimer: Dieser Text enthält nur allgemeine Hinweise und ist nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung geeignet. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Alle individuellen Fragen, die Sie zu Ihrer Erkrankung oder Therapie haben, besprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt.

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